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CLOCHARD's Rettung in letzter Minute
22. November 1999

 
 

 

 

 

 


   

Ende des Sommers 1999 erfahren: Im Frühjahr geschieden, sie zieht aus, lässt den Hund bei ihm, weil sie jetzt in einer Wohnung wohnt und einen Ganztagsjob ausüben muss. Er ist Schichtarbeiter und lebt vorzugsweise in der Wohnung seiner Freundin.
Und das erfuhr ich Mitte November 1999: Zurück bleibt Clochard - eingesperrt im Haus, wo er aufwuchs, ohne jede Ausgangsmöglichkeit in den Garten - bis zu 16 Stunden am Tag alleine.

 

Auf den Fotos vom 22.11.1999 in Clochard's Slideshow ist sein erbarmungswürdiger Zustand nicht zu sehen. Fangen wir mit den "Kleinigkeiten" an und arbeiten uns vor zu den schlimmeren Dingen: Das Fell ist stumpf, geschoren auf ca 5 cm Länge, ärgstens verfilzt von der Haut weg - am ganzen Körper. Seine Ausdünstung lässt zu wünschen übrig. Kein Muskel am ganzen Körper, nicht einmal ein Kaumuskel ist vorhanden. Der Kopf besteht nur aus Knochen, und das ist es auch, was man am ganzen Körper von Clochard fühlt: die Schulterblätter, jeden einzelnen Knochen der Wirbelsäule, alle Rippen, die Hüftknochen - einfach jeden einzelnen Knochen - ohne einen Gramm "Substanz". Clochard ist nur noch ein wandelndes Skelett, das nur von der Haut zusammengehalten wird. Vom Knochenbau, den Proportionen und der Körpergröße entspräche Clochard einem 40 bis 45 kg Rüden (er ist das Abbild seines Vaters "Samson") - er wiegt gerade mal 28 kg, weniger als seine kleinere Mutter. Sein Stuhl entspricht weniger als dem eines 8 Wochen alten Briard-Welpen, sein Urin ist braun, was auf längeren Flüssigkeitsmangel hinweist. Ein Fall für den Tierschutz! Später stellt sich noch heraus, dass aufgrund mangelhafter Ernährung im Wachstum seine Knochen teilweise deformiert sind.

 
 

Clochard scheint psychisch NOCH in Ordnung zu sein. Zu Menschen, die ihm wohlgesonnen sind, hat er blindes Vertrauen. Seine Augen haben NOCH den lebhaften Glanz, sein Blick drückt eine unglaubliche Sehnsucht nach Liebe aus. Geht man darauf ein, dankt er es mit einer Freude, die nicht erahnen lässt, was Clochard während der letzten Monate durchgemacht hat.

 
 

Am 12.11.1999 erfuhr ich, dass Clochard in einer Zeitung inseriert ist - er wird abgegeben. Dass ich das Vorkaufsrecht auf alle meine Nachzucht im Kaufvertrag geregelt habe, dass ich sofort zu verständigen bin, wenn der Hund abgegeben werden soll, wird einfach ignoriert. Nun laufen die Telefonleitungen für einige Zeit heiss - nach rund 3 Stunden habe ich ein neues Heim für Clochard gefunden. Jetzt wird er angerufen. Ich sage, was ich gehört habe und erfahre, dass es schon einige Interessenten für Clochard gibt. Ich gebe bekannt, dass ich ein neues Heim für den Hund habe - er will drüber schlafen, er muss es sich noch einige Tage lang überlegen. Ich muss diplomatisch sein und ruhig bleiben, sonst endet Clochard irgendwo und ich werde es nie erfahren.
Vier quälend lange Tage, dann der Anruf von ihm am 16.11.: Er denkt, er kann sich für meinen Vorschlag erwärmen, wenn der Preis passt, den er will. Egal, ich zahle alles, wenn nur der Hund dort wegkommt. Ich werde Clochard selbst abholen. Wann? Er: Bis Donnerstag geht es wegen dem Schichtdienst nicht, dann ist die Tochter bei ihm. Montag oder Dienstag? Montag entscheide ich, je eher desto besser. Ich fürchte die ganze Zeit über, dass etwas dazwischenkommt, die Tage sind endlos - banges Warten.
Endlich ist der 22.11., ich fahre zum vereinbarten Treffpunkt, einer Autobahnraststätte. Ich bin viel zu früh dort, aber lieber warten als zu spät kommen. Schliesslich kommt er, mit einiger Verspätung. Die Begrüssung von Clochard ist überwältigend, wir haben uns seit August 1998 nicht mehr gesehen. Schnell die Formalitäten erledigen: Ahnentafel ist da, der Impfpass nicht - er findet ihn seit Monaten nicht, aber der Hund sei geimpft; Bestätigung unterschreiben lassen - Geld übergeben. Nichst wie raus zum Auto, Clochard's Sachen einladen. Dieser schnüffelt kurz an der Hundebox und ist auch schon drinnen. Heckklappe zu - nichts wie weg hier, rauf auf die Autobahn. Kaum bin ich dort, rufe ich die neuen Besitzer an: alles ok, ich habe den Hund bei mir. Sie werden mir entgegenkommen. Also dann, über die Westautobahn nach Wien und dann auf die Südautobahn Richtung neue Heimat von von Clochard. Der Bursche ist völlig ruhig im Auto, nur hie und da schaut er, was sich tut.
Erst am Treffpunkt, wo ich die neuen Besitzer treffen werde (wieder eine Autobahnraststätte), stelle ich fest, in welchem Zustand Clochard ist. Die Tränen sind nicht mehr zurückzuhalten - das hat "mein Baby" nicht verdient.
Ja, ich weiss, es gibt viel tragischer Fälle, aber was anderes als Leere kann ein liebender Züchter bei so einem Anblick empfinden? Alles wird von mir in diesem Moment in Frage gestellt - ist es das wert? Kann man so etwas als Züchter verantworten? Soll ich aufhören zu züchten? ....... Fragen über Fragen, und auch Vorwürfe ......

 
 

Während ich mit Clochard auf die neuen Besitzer warte, gehe ich mit ihm spazieren, spiele mit ihm und drück ihn an mich. Er ist so dankbar - diese Momente sind auch wieder solche, die ich nie wieder vergessen werde. Dann sind seine neuen Besitzer da. Zuerst ist Clochard zurückhaltend, setzt sich neben mich und sieht mich an, fragend: "Was soll das nun?" Schnell ist der Bann gebrochen - Leckerlis sind dabei und damit ist Clochard sofort zu bestechen. Nun geht er auch schon an der Leine mit seinem neuen Besitzer mit. Sieht gut aus, jetzt machen wir aber eine Pause - ab ins Restaurant. Dort liegt Clochard abwechselnd zwischen seinenn euen Menschen und mir, er lässt nichts aus den Augen, und immer wieder dieser liebevolle Blick von ihm - und ein zartes Wedeln mit der Rute. Ich ersticke ihn fast mit meinen Liebkosungen, aber ich kann nicht anders - sein Blick scheint danach zu schreien. Nun untersucht ihn der neue Besitzer - er ist Tierarzt, und jetzt kommt - soweit man das ausserhalb einer Tierarztordination schnell feststellen kann - fast das ganze Ausmass von Clochard's Zustand ans Licht. Wir sind alle drei schockiert - dieser Hund wurde schon über lange Zeit gänzlich vernachlässigt. Der Tierarzt meint, dass in längstens zwei bis drei Monaten auch psychische "Schäden" aufgetreten wären - es war 5 vor 12!

 
 

Es wird Zeit - wir müssen weiter: Clochard mit seinen neuen Menschen nach Kärntnen und ich nach Hause zu meiner Bande, die sicherlich schon auf mich warten. Eine Hürde ist noch zu bewältigen: Clochard möchte in mein Auto einsteigen. Erst als sein "Bett" im anderen Auto gemacht ist, steigt er dort ein. Sein Blick sagt: "Na gut, wenn Du meinst, vertraue ich Dir - aber ich wäre gerne auch mit Dir mitgefahren." Wieder Tränen, aber die Gewissheit, dass Clochard nun in den Händen eines Tierarztes ist und bestens versorgt werden wird. Also dann, bis bald - wir hören und sehen uns. Alles Gute!

 
 

Bericht am nächsten Tag:
Alles besser gelaufen, als wir alle erwartet und gehofft haben. Die beiden im Haus befindlichen Hunde wurden noch ausgeführt, damit Clochard sein neues Heim in Ruhe inspizieren kann, damit er seine erste Malzeit (wann hatte er wohl zuletzt eine???) in Ruhe zu sich nehmen kann. Dann die Zusammenkunft: Clochard sieht im ersten Moment nicht ein, dass da noch andere Hunde sind - er ist besitzergreifend, er muss SEINE Menschen beschützen. Nur einmal muss ihm erklärt werden, dass die beiden anderen Hunde auch hier leben - er akzeptiert es. Alle drei schlafen imselben Zimmer - und es ist ruhig.
Am nächsten Morgen: alle drei spielen im Garten, Xenia und die beiden Brüder Clochard und Esprit. :-) Nur wenn Esprit zu stürmisch wird während Clochard seine Ruhe haben will, dann wird leise geknurrt - der kleine Bruder versteht und akzeptiert es. Es ist also doch wieder einer aus dem C-Wurf im Hause von Edith und Michael.

 
 

Die schreckliche Trennungsangst von Clochard macht es scheinbar leichter: keine Probleme beim Spazierengehen - funktioniert vom ersten Tag an ohne Leine. Im Haus braucht er Sichtkontakt zu einem seiner Menschen, dann ist er zufrieden. Auch beim Fressen, will er einen seiner Menschen sehen, sonst verlässt er sofort die Futterschüssel. Aber ansonsten vertraut Clochard seinen Menschen schon voll und ganz. Und zu allem Glück darf er auch noch überall hin mitfahren, wenn es auch nur ein ganz kurzer Weg ist - Clochard MUSS dabei sein, das ist jetzt das wichtigste. Was noch wichtig ist: er wird mehrmals täglich mit kleinen Portionen gefüttert - sein Magen muß sich langsam wieder umstellen, und der Aufbau seines Körpers wird auch einige Zeit in Anspruch nehmen, denn Clochard hat absolut keine Kondition. Wie sollte er auch - so ganz ohne jeden Muskel ...... Bald wird Clochard so aussehen, wie er seinem Alter gemäss aussehen sollte. Wo wäre er besser aufgehoben als in den Händen eines Tierarztes?!?!?!

 

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